Dass bekannte Kulturveranstaltungen für – zurückhaltend ausgedrückt – einseitige Darstellungen des Nahostkonfliktes gekarpert werden, ist nach der Berlinale im vergangenen Jahr wie auch der documenta fifteen freilich keine Überraschung mehr. Wie schön wäre ein Jahr ohne einen Antisemitismusskandal in Kunst & Kultur. Und doch hat es nun bedauerlicherweise den Deutschen Jazzpreis1 erwischt. Ein Eklat ohne Aufschrei.
Realsatire mit einer Prise Volksverhetzung?
Bereits der erste Liveauftritt2 widmete sich voll und ganz dem außerordentlichen Themenschwerpunkt des Abends. Sonic Interventions, eine junge, dynamische und offenbar diverse Musikgruppe, spulte in mystisch-distopisch anmutender Inszenierung direkt zu Beginn das volle Programm ab: von „settlements in the West Bank“ bis hin zu „stop the genocide!“ gab es für das Publikum so einiges zu hören. Visuell stach ein Bandmitglied besonders heraus – gekleidet in einer schwarzen Weste, auf der in weißer Schrift und selbstverständlich in Großbuchstaben das Wort „PRESS“ abgebildet war. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es sich hierbei um eine beeindruckend subtile Anspielung auf das Phantasma handeln könnte, demzufolge Journalisten ein bevorzugtes Ziel im Nahostkrieg seien. Und dies wäre nicht unbedingt frei von einer gewissen Komik: So wurde schließlich erfolgreich demonstriert, dass sich im Grunde jeder eine Presseweste überstülpen kann – ganz gleich mit welcher Absicht. Eigensatire ist selten und vor allem dann wirklich witzig, wenn sie ungewollt passiert. Ob wohl bei Ms. Presseweste so ein Fall vorliegt?
Ebenso interessant war die Kleidung eines anderen Künstlers, Ludwig Wandinger.3 Zwar bot sein T-Shirt einen weitaus geringeren Unterhaltungswert, dafür könnte es allerdings noch das Interesse von so mancher Staatsanwaltschaft wecken. Hinter der vergleichsweise harmlosen Vorderseite mit dem Schriftzug „PALESTINE“ deuteten sich auf der Rückseite die Umrisse der Landkarte Israels an, inklusive der Gebiete Gaza sowie Judäa und Samira – jedoch im Kontext mit einer gewissen Abformung der panarabischen Farben. Ob Mr. Palestine sich bei dem Design wohl von Ulrike Eifler inspirieren ließ?
Nicht (ganz) ohne Widerrede
Da vor der Veranstaltung bereits fundierte Hinweise auf eine bestimmte Unterwanderung die Runde gemacht hatten, gab es direkt gegenüber des Veranstaltungsortes kurzerhand ein Banner zu sehen, welches breit den Slogan „Gegen jeden Antisemitismus“ trug. Als kleine Gruppe von engagierten Personen erlaubten wir uns den freundlichen Hinweis in Kombination mit zwei kurzen zielgerichteten Redebeiträgen und erhielten zu unserem Erstaunen fast ausschließlich positive Resonanz – sogar seitens der Veranstaltenden. Auch weitere in der Jazzwelt fest verwurzelte und durchaus bekannte Persönlichkeiten zeigten sich erfreut über das Statement. Ein gewisser Trost verbleibt.


Dieser Beitrag erschien zunächst unter dem Titel „Eklat ohne Aufschrei: Verleihung des deutsch-palästinensischen Jazzpreises 2025“.
- Link zur Homepage des Deutschen Jazzpreises: https://www.deutscher-jazzpreis.de ↩︎
- Link zum Auftritt: https://www.youtube.com/live/CMIbIZPv6Bk?si=wWd0dmfeUAiMi7k5&t=919 ↩︎
- Link zum Auftritt: https://www.youtube.com/live/CMIbIZPv6Bk?si=0UKk1SPtrLGlCmQI&t=5593 ↩︎